Triers Olympia-Gesichter (2): Olivia Gürth
Olivia Gürth ist in der Kleinstadt Diez aufgewachsen. Wohlbehütet. Ihr Lebensweg unterscheidet sich gänzlich von dem ihres Vereinskollegen Samuel Fitwi, der als Flüchtling nach Deutschland kam. Nicht minder aber lodert der sportliche Ehrgeiz in der 22-Jährigen, die seit Jahresbeginn 2024 für den Verein Silvesterlauf Trier startet und sich für den Weg als Profiläuferin entschieden hat. Bei den deutschen Meisterschaften in Braunschweig hat Olivia zuletzt sogar ihr großes Vorbild Gesa Krause – seit 2017 im Silvesterlauf-Verein – überraschend hinter sich gelassen.
Bei Olympia in Paris sind die Karten neu gemischt. Dort traut Olivia ihrer knapp zehn Jahre älteren Trainingspartnerin die Führungsrolle zu: „Aufgrund ihrer Ausdauer und Erfahrung sieht es anders aus, wenn ein Rennen schnell wird“, sagt sie. Und: „Mein Ziel ist das Olympia-Finale.“ Nach kurzer Pause betont sie: „Zusammen mit Gesa.“
Die Zusammenarbeit mit der deutschen Rekordlerin hat der U23-Europameisterin den Weg zur ersten Olympiateilnahme bereitet. Was zeichnet für sie die Zusammenarbeit mit Trainerfuchs Heinig aus, der Gesa Krause seit 2012 in schöner Regelmäßigkeit zu Spitzenleistungen bei Olympischen Spielen sowie WM und EM geführt hat? „Zum einen natürlich seine sehr große Erfahrung, die er durch die vielen Jahre und die Zusammenarbeit mit Gesa besitzt“, sagt Olivia. „Und sein Know-how etwa in Sachen Höhentraining. Das ist etwas, das ich vor dem Wechsel zu der Gruppe noch gar nicht gemacht hatte.“ Auch die Trainingsgruppe spielt eine Rolle. „Ich als junge Athletin kann mich in die Tempolauf-Programme reinhängen.“
2023 – im Jahr von Gesas Babypause – hatte sie hauptsächlich mit der slowenischen Hindernisläuferin Marusa Mismas (WM-Sechste) trainiert. Das brachte Olivia den U23-EM-Titel, die WM-Finalteilnahme (mit deutscher U23-Rekordzeit) in Budapest sowie die Olympiaqualifikation. Und, als wäre das nicht genug, unverhofft sogar die Auszeichnung als Deutschlands Leichtathletin des Jahres on top.
Zum 1. Januar 2024 folgte der Wechsel zum Silvesterlauf Trier: „Mein alter Verein, der Diezer TSK Oranien, ist ja auch ein rheinländischer Verein. Es war naheliegend, dem Landesverband treu zu bleiben. Deshalb war ich sehr froh, dass sich diese Möglichkeit auch für mich ergeben hat, so wie bei Gesa.“ In deren großen Fußstapfen wandelt Olivia nun. Auch emotional. „Es gibt so viele Athleten auf der Welt und es sind so wenige, die bei Olympia sind. Selbst zu diesen Athleten zu zählen, macht etwas mit einem“, schildert sie das erhebende Gefühl, „dass man wirklich auf der größten Bühne des Sports angekommen ist“.
Zurück zu ihren Wurzeln nach Diez. In ihren Geburtsort, wo für Olivia alles begonnen hat. Die Familie hatte von Beginn an großes Interesse am Sport. Reiten war einige Jahre Olivias Nummer eins, das Lauftalent aber unverkennbar für den Diezer Trainer Lutz Preußner. Ihr erster Erfolg: Platz sechs über 800 Meter bei den deutschen U16-Meisterschaften 2017. Ab da spürte Olivia: „Laufen löst Glücksgefühle aus.“ Sie „mag am Laufen, dass es einfach ist.“
Tiere sind ihr wichtig. Von Kindesbeinen war da ein Hund als Begleiter. Ein Leben ohne Vierbeiner kann sich Olivia nicht vorstellen. „Deshalb werde ich mir nach Olympia einen eigenen Welpen anschaffen“, erzählt sie, auch wenn der Hund selbstredend kaum die vielen Trainingslager wird mitmachen können. Die Familie steht als Betreuer bereit. „Ein Golden Retriever wird es werden“, sagt Olivia mit einem Leuchten in den Augen. Im September wird der junge Hund sie nach Trier begleiten – wenn Olivia beim Flutlichtmeeting im Moselstadion (6. September) als Titelverteidigerin im Rennen über 2000 Meter Hindernis an der Startlinie stehen soll, und gut eine Woche später beim Frauenlauf ihres Vereins (15. September).
Mutter Sarah spielt im Leben von Olivia eine Schlüsselrolle. Sie ist Hobbyläuferin und sagt bewundernd über die Tochter: „Ich bin überrascht, was sie schafft. Ich hätte nicht gedacht, dass dieses Kind so stark.“ Gemeinsames Wandern lieben Mutter und Tochter. Inzwischen ist Olivia immer vorne weg.
Als Hobbykünstlerin hat Sarah Gürth den Weg Olivias von Diez nach Paris in Zeichnungen festgehalten. Eine davon zeigt das „Home of the champions“, den legendären Höhentrainingsort Iten in Kenia. In Kürze soll es eine Ausstellung geben. Bilder der Olympionikin vor der Kulisse der Römerstadt Trier werden die Serie sicherlich nach dem 4. Edith Lücke-Frauenlauf ergänzen – vielleicht vom Start vor den Kaiserthermen oder dem Zieleinlauf im Amphitheater.
OLYMPIA – 3000 Meter Hindernis der Frauen:
Sonntag, 4. August, 10.05 Uhr: Vorläufe
Dienstag, 6. August, 21.10 Uhr: Finale