Samu auf der Achterbahn
Samuel Fitwi ist seit Donnerstag in Paris. Und voller Vorfreude auf den Olympia-Marathon. Die klassische, 42,195 Kilometer lange Distanz durch die französische Metropole hat es in sich. In Summe sind 438 Höhenmeter zwischen Start (am Hotel de Ville) und Ziel (am Invalidendom) zu bewältigen. Das Marathon-As vom Verein Silvesterlauf Trier blickt der Herausforderung gelassen entgegen. So ist es seine Natur. Und zu verlieren hat er ohenhin nichts. Seine Teilnahme allein ist schon ein großer Sieg. Alles was jetzt kommt, der Bonus.
Heißt nicht im entferntesten, dass Samu, wie ihn seine Vereinskollegen rufen, keine Ambitionen hätte. „Ich habe super trainiert“, sagt er über die vergangenen Wochen im Höhentraining in Addis Abeba, 2400 Meter über dem Meeresspiegel: „Darunter viele intensive und klasse Einheiten.“ Unter anderem einmal die Woche Berganläufe. Wegen der brutalen Steigungen der olympischen Laufstrecke, die sich so sehr von den topfebenen Speed-Kursen der großen Citymarathons unterscheidet. Paris 2024: Eine Achterbahn.
Für viele überraschend hatte Samu im Januar in Dubai auf einer dieser Hochgeschwindigkeitsstrecken ohne Steigung mit der zweitbesten Zeit, die je ein Deutscher erzielte (2:06:27 Stunden), die Olympia-Norm erfüllt. Schneller ist bislang nur Amanal Petros gewesen (2:04:58). Der deutsche Rekordler vom SCC Berlin ist in Paris ebenso für Deutschland am Start wie Europameister Richard Ringer (LC Rehlingen). Ein derart starkes Marathon-Trio bei Olympia hatte die Nation noch nie. Bester Beleg: Der EM-Halbmarathon von Rom, wo sie Anfang Juni gemeinsam Team-Bronze gewannen.
Direkt im Anschluss an die Europameisterschaften flogen sie nach Paris, um die Strecke zu begutachten, über die sie am Samstag (Start 8 Uhr) ihren Olympiatraum leben, wurde das Foto über diesem Artikel geschossen. „Ich glaube, es ist besser, wenn wir nicht über die Strecke reden müssen“, ließ Amanal unmittelbar danach wissen. Den Schock über die Herausforderung des Kurses quittierte er gewohnt humorvoll mit einer Grimasse. Samu hob – wie gewohnt die Entspannung in Person – den Daumen. Es nehmen wie es ist, und das Beste daraus machen. „Das wäre ein Platz unter den Top 20“, lässt sein Trainer Yannik Duppich wissen.
An Unterstützung für Fitwi wird es in Paris nicht mangeln. Mit zwei Bussen, die von der Kreissparkasse Vulkaneifel gechartert wurden, reisen seine Anhänger in der Nacht zum Samstag in Frankreichs Hauptstadt, um ihren so bescheiden auftretenden Helden anzufeuern. Auch wenn er 2024 selten Zuhause war: Die Sympathien fliegen dem 28-Jährigen zu. Seine kleine Wohnung in Gerolstein hat Samu wegen der zahlreichen Trainingslager-Aufenthalte in diesem Jahr kaum gesehen. Ebenso wenig das Trierer Moselstadion, wo seine Klubkollegen immer dienstags gemeinsam auf der Bahn trainieren. Ohne Laufen in der Höhenluft keine Weltklasse – das gilt für Samu ebenso wie für Gesa Krause und Olivia Gürth, die beiden Hindernisläuferinnen des Silvesterlauf-Vereins.
Von seinem Ausrüster On erhielt Samu am Donnerstag nach seiner Ankunft in der Stadt der Liebe ein Motivations-Video mit Botschaften von zehn seiner wichtigsten Wegbegleiter in den vergangenen Jahren. Benjamin Dern, für den sein sieben Jahre älterer Vereinspartner ein großes Vorbild ist, sagt darin: „Ich hoffe, du hast das Rennen deines Lebens und holst alles raus. Denk immer daran, deine letzten Rennen waren alle superstark und das wird in Paris nicht anders sein. Hau einen raus. Die Daumen sind gedrückt.“
Yannik Duppich, Freund und wichtigster Partner Samuels in seiner Entwicklung, rät Samuel: „Genieße es und saug alle positiven Emotionen auf. Ich bin mir sicher: In dem Rennen ist alles möglich. Du bist bereit und wirst eine großartige Unterstützung an der Strecke erfahren.“ Duppich im Rückblick: „Olympia 24, Paris. Du hast es geschafft und bist dabei. Wer hätte das gedacht, als du vor acht Jahren erstmals in Hillesheim auf dem Sportplatz gestanden hast. Du kannst unfassbar stolz sein auf deine Entwicklung als Mensch und als Sportler.“
„Froh und stolz“ äußert sich sein Manager Jörg Ullmann. Der ehemalige deutsche Triathlonmeister prognostiziert: „Du wirst sehen, Olympia verändert dein Leben.“ Berthold Mertes (Silvesterlauf Trier) sagt: „Mach dich stolz, unseren Silvesterlauf-Verein und die Stadt Trier.“ Beim Marathon-Frühstück in der Geschäftsstelle in der Maarstraße fiebern am Samstag Samus Vereinsfreunde mit.
Samu am 6. September in Trier
In Aktion können die Freunde der Leichtathletik den Ausnahme-Marathonläufer des Vereins Silvesterlauf Trier ebenso wie die Hindernislauf-Olympiateilnehmerinnen Gesa Krause und Olivia Gürth am Freitag, 6. September, ab 19.30 Uhr, im Trierer Moselstadion sehen. Vier Wochen nach dem Olympia-Marathon will Samuel dann über die 10.000-Meter-Distanz an den Start gehen , über die er 2022 EM-Neunter geworden war.