Lea Meyer holt EM-Silber
Lea Meyer rannte sich die Seele aus dem Leib und vergoss nach dem mit EM-Silber belohnten bisherigen Rennen ihres Lebens Tränen der Rührung – in Abwesenheit von Titelverteidigerin Gesa Krause. Die 30-Jährige vom Verein Silvesterlauf Trier war nach Italien “geflüchtet” und schilderte von dort die “unverschönte Wahrheit” ihrer Gefühle nach dem krankheitsbedingten Verzicht auf die Teilnahme an den Europameisterschaften. “Ich wusste, dass es mich hart treffen würde, die EM in München aus der Ferne zu verfolgen, aber ich hätte nie gedacht, dass der Schmerz im Nachhinein doch so groß sein würde”, schreibt Krause auf Instagram.
Lea Meyer überraschte mit Platz zwei über 3000 Meter Hindernis im Olympiastadion nicht zuletzt sich selbst. In 9:15,35 Minuten verbesserte die 24-Jährige vom ASV Köln ihre persönlich Bestmarke am späten Samstagabend um mehr als zehn Sekunden und rang danach – eingehüllt in eine Deutschland-Fahne – um Fassung. “9:20 habe ich mir zugetraut. Aber das und die Silbermedaille, das muss ich erstmal realisieren”, sagte Meyer kurz nach dem Zieleinlauf und bedankt sich bei den 35.000 Zuschauern über Mikrofon für die grandiose Unterstützung: “Ihr habt mich ins Ziel getragen!”
In Trier ist Lea Meyer alles andere als eine Unbekannte. Beim Jubiläums-Silvesterlauf 2019 hatte sie Platz sechs belegt. Damals war Elena Burkard (nun Zwölfte im EM-Finale von München) als Zweite ins Ziel auf dem Hauptmarkt gerannt und Gesa Krause als Vierte. 2020 dann – beim Corona-bedingt nur virtuellen Silvesterlauf zugunsten der Opfer der Trierer Amokfahrt – lief Meyer die zweitbeste Zeit (siehe Foto) nach Katharina Steinruck.
Der Weg zum unerwarteten EM-Silber hatte für Meyer am Wassergraben von Eugene begonnen. Bei den Weltmeisterschaften Mitte Juli war sie am Hindernis hängen geblieben und dann kopfüber ins Wasser. “Den wichtigsten Schritt, um das verdauen, den habe ich noch in Eugene gemacht, indem ich einfach aufgestanden bin”, berichtete die 24-Jährige rückblickend. Das Rennen in den USA hatte sie danach noch beendet und dabei auch den Wassergraben gemeistert, um kein Trauma im Kopf entstehen zu lassen, wie sie erklärte.
Auch eine Corona-Infektion direkt im Anschluss an die WM musste die deutsche Meisterin überwinden. “Ich komme immer dann am stärksten zurück, wenn ich dreimal gefallen bin, dann stehe ich das vierte Mal wieder auf und komme noch stärker zurück als vorher”, sagte Meyer. Worte, die auch von Gesa Krause stammen könnten. Im WM-Finale 2017 war die inzwischen 30-Jährige durch Fremdverschulden gestürzt, dennoch aufgestanden und unter Wert geschlagen ins Ziel gelaufen. Als Europameisterin 2018 und WM-Dritte 2019 gelangen Krause in den Folgejahren ihre größten Erfolge.
Aktuell befindet sich Gesa noch im Tal der Tränen. Statt der erhofften triumphalen Rückkehr in ihre sportliche Heimat – die ihr Verein Silvesterlauf Trier für diesen Montag geplant hatte – versucht Gesa in Italien über die größte Enttäuschung ihrer Karriere hinwegzukommen, indem sie sich auf das Positive im Leben konzentriert. “Aktuell genieße ich nach 5000 gelaufenen Kilometern meiner EM-Vorbereitung eine Woche Urlaub in Italien, mit einem täglichen Lauf durch Weinfelder und Kiwi-Plantagen. Ich genieße die Sonne, das fantastische Essen, Prosecco und die Zeit zu zweit mit meinem Freund. Das macht mich glücklich, auch wenn ein Teil meines Herzens verletzt ist”, schreibt die zweimalige Europameisterin auf Instagram.
Folgende Einblicke in ihr Innenleben gewährte sie ihren 140.000 Followern: “Meine Teamkameraden so großartig performen zu sehen, macht mich stolz und die Atmosphäre im Stadion ist einfach atemberaubend. Und genau in diesen Momenten steigt in mir die Wehmut auf. Ich spreche hier nicht von Missgunst, ganz im Gegenteil. Ich weiß einfach aus Erfahrung, wie besonders eine Heim-EM ist und wie sehr es einen beflügelt, vor Familie, Freunden und Fans zu laufen. Dieses einzigartige Erlebnis hätte ich so gerne noch einmal erleben wollen. Es ist eine Chance, für die ich Monate lang gearbeitet und gekämpft habe und die für mich als Athletin auf diese Art und Weise nie wiederkommen wird. Diese Tatsache tut einfach verdammt weh – auch wenn ich weiß, dass die Entscheidung, nicht anzutreten, in Bezug auf meine Gesundheit richtig war.”
Im Münchner EM-Finale setzte sich Luiza Gega aus Albanien, die Zweitplatzierte der EM von 2016, vom Start weg an die Spitze. Lea Meyer hielt sich stets unter den ersten Verfolgerinnen auf. Drei Runden vor Schluss hatte sich Gega gemeinsam mit der Jahresschnellsten Elizabeth Bird ein wenig abgesetzt, doch Aimee Pratt (ebenfalls Großbritannien) und Lea Meyer setzten nach. Dann startete die Deutsche ihre Aufholjagd und schob sich bis auf Position zwei vor. Einzig Gega war bereits zu weit enteilt und gewann mit Meisterschaftsrekord (9:11,31) den Titel.
In 9:15,35 Minuten – zehn Sekunden schneller als ihr bisheriger Hausrekord – rannte Lea Meyer zu Silber, für Bird (9:23,18) gab es Bronze. Die zweite deutsche Finalistin, Elena Burkard (LG farbtex Nordschwarzwald), 2018 in Berlin noch Sechste, lief mit Saisonbestleistung (9:39,63) in ihrem zweiten EM-Finale auf Platz zwölf.