Homiyu und eine Olympiasiegerin
Homiyu Tesfaye war 2013 der dritte und bislang letzte deutsche Sieger beim Trierer Silvesterlauf nach Premierengewinner Olaf Dorow (1990) und Thorsten Naumann (1996). Kurzfristig hat der 29-Jährige (im Bild mit Silvesterlauf-Renndirektor Berthold Mertes/2014) nun sein Comeback im Bitburger 0,0%-Lauf der Asse angekündigt. Doch es kommt noch besser: Mit ihm reist eine Olympiasiegerin an: seine Frau Maryam Yusuf Jamal, mit der er drei Kinder hat, und die nach mehrjähriger Babypause im Alter von 38 Jahren als Straßenläuferin auf die internationale Bühne zurückkehrt. Eine ganz besondere Geschichte ist das in der an Anekdoten reichen Historie des „deutschen Sao Paulo“, des besten und stimmungsvollsten Silvesterlaufs hierzulande.
Weltrekordler sowie Welt- und Europameister sind schon einige beim Silvesterlauf in Trier gelaufen, deutsche Meister gar in Scharen. Aber Olympiasieger? Klar, Haile Gebrselassie im Jahr 2009. Sehr bald ist der sogenannte Wunderläufer aus Äthiopien nicht mehr der einzige, anno 2022 folgt Nummer zwei: Maryam Yusuf Jamal, 1500-Meter-Olympiasiegerin von London 2012, tritt beim 33. Bitburger 0,0%-Silvesterlauf im Sparkasse Trier-Elitelauf der Frauen über 5 Kilometer an. Die Geschichte der gebürtigen Äthiopierin im Trikot des Wüstenstaats Bahrain ist eine höchst außergewöhnliche.
Ihr Olympia-Gold erhielt Maryam 2021 – mit neun Jahren Verspätung! Was daran liegt, dass das 1500-Meter-Finale von London 2012 als einer der dopingverseuchtesten Laufwettkämpfe in die Geschichte eingegangen ist. Ursprünglich war die Partnerin von Homiyu Tesfaye als Dritte ins Ziel gelaufen, die beiden vor ihr platzierten Türkinnen Asli Cakir Alptekin und Gamze Bulut aber wurden nach vor allem im erstgenannten Fall äußerst langwierigen Dopingprozessen disqualifiziert.Der verspätet verbriefte Olympiasieg krönt Jamals umfangreiche Erfolgsbilanz, aus der zudem zwei WM-Titel (2007 in Osaka und 2009 in Berlin) herausragen.
Für ihr geplantes Olympia-Comeback hat Maryam genaue Vorstellungen. „Nicht über 1500 Meter. Die sind zu speziell. Ich denke, es werden die 5000 Meter oder 10.000 Meter werden“, sagt Jamal mit Blick auf die Spiele 2024 in Paris, die auch ihr Partner Homiyu Tesfaye anvisiert. Er denkt dabei wahrscheinlich an die Marathondistanz, obwohl die Konkurrenz gerade in dieser Disziplin in Deutschland derzeit enorm ist. In Trier kann er sich mit Europameister Richard Ringer und dem deutschen Rekordler Amanal Petros messen – eine bessere Messlatte gibt es für seine Zwischenstation auf dem Weg zu Olympia wohl kaum.
Nach der Geburt des dritten gemeinsamen Kindes im Juli 2021 (nach zwei Mädchen ein Sohn) hat die Mutter wieder mit dem Laufen begonnen. „Es war nicht leicht, wieder ins Training zurückzufinden“, hat sie Zeitungsreporter Holger Teusch erzählt. Ihren Wiedereinstieg vollzog Maryam 2022 beim Osterlauf in Paderborn über zehn Kilometer als Neunte mit einer 35-Minuten-Zeit. Der Silvesterlauf werde für sie ein ernsthafter Test, wie weit sie inzwischen sei. „Ich werde mein Bestes geben“, sagt sie.
Das verspricht auch der Familienvater, der im Frühjahr in Paderborn in 28:14 Minuten siegte. Der nach Thomas Wessinghage (1980: 3:31,58 Minuten) und Harald Hudak (1980: 3:31,96) drittschnellste deutsche 1500-Meter-Läufer hat beste Erinnerungen an seinen Trier-Sieg von 2013. Ähnlich wie damals hat ihn zum Jahreswechsel von 2022 auf 2023 niemand wirklich auf der Rechnung. Aber abschreiben sollte man ihn wohl nie, zumal sein Selbstbewusstsein nach wie vor unerschütterlich scheint.
Über Favorit Isaac Kimeli aus Belgien, der als Titelverteidiger mit der frischen Empfehlung von EM-Bronze im Crosslauf anreist, sagt Tesfaye: „Ich habe ihn schon oft geschlagen.“ Aber das ist schon ein paar Jahre her. Die Situation ist aus seiner Sicht ähnlich wie 2013: „Niemand hat damals gedacht, dass ich gewinnen würde.“ Doch dann spurtete er auf der Zielgeraden freudestrahlend an die Spitze und stellte obendrein mit 22:38 Minuten noch den seit 1980 bestehenden deutschen Acht-Kilometer-Rekord von Christoph Herle ein.