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Gesationell: WM-Siebte mit Bauchplatscher

Wassergraben-Geschichten: Gesa Krause hat einige in ihrer von Hindernissen gesäumten Karriere erlebt. (Archivfoto 2024)

Erneutes Dramarennen von Gesa Krause: Trotz eines Bauchplatschers am letzten Wassergraben lieferte die Ausnahmeathletin vom Verein Silvesterlauf Trier bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Tokio ein grandioses Ergebnis ab. Bei ihrer insgesamt siebten WM-Finalteilnahme lief die 33-Jährige als beste Nicht-Afrikanerin auf Platz sieben. Es siegte in einem von sechs Stürzen geprägten Rennen die kenianische Newcomerin Faith Cherutich in WM-Rekordzeit (8:51,59 Minuten) vor Winfred Yavi (Bahrain/8:56,46) und der Äthiopierin Sembo Almayew (8:58,86).

“Herzlichen Glückwunsch zur Europameisterschaft!”, gratulierte ARD-Reporter Claus Lufen der Silvesterläuferin unmittelbar nach dem Endlauf über 3000 Meter Hindernis mit einem Augenzwinkern und fragte: „Beste Europäerin nach so einem Rennen, was war das denn?“

Die Familie auf der Tribüne und Gesa Krauses Trierer Fans waren nahe am Herzstillstand, als die zweimalige WM-Dritte 150 Meter vor dem Ziel auf dem nassen Balken abrutschte und auf dem Bauch im Wassergraben landete. Kurzzeitig fiel sie vom siebten auf den neunten Rang zurück, rappelte sich auf, zeigte den ihr eigenen Kampfgeist – und packte noch einen starken Endspurt aus, mit dem sie vor der Äthiopierin Lomi Muleta und Angelina Napoleon (USA) als Siebte die Ziellinie passierte. 9:14,27 Minuten war Gesas Zeit. “Die wäre einen Tick besser gewesen, wenn ich nicht den Bauchplatscher gemacht hätte”, sagte sie in der ersten Analyse in der ARD-Liveübertragung. Und formulierte wie von ihr gewohnt spontan sehr treffend: “Ich hätte von der Platzierung auch ohne den Sturz nicht mehr rausholen können. Es ist natürlich ein bisschen schade, weil ich nicht auf allen vieren liegen wollte. Aber ich habe mir zum Glück nichts getan. Ich schätze, das war ein bisschen fehlende Konzentration am Ende.”

Es war nicht das erste WM-Rennen, dass die zweimalige Europameisterin (2016 und 2018) sowie EM-Zweite von 2024 nach einem Sturz so bravourös ins Ziel brachte: 2017 war sie in London unverschuldet an einem Hindernis gestürzt. Obwohl damals eine Konkurrentin den Sturz verursacht hatte, verzichtete Gesa, die in Englands Metropole als Medaillenkandidatin ins Finale gestartet war, auf jegliche Schuldzuweisung. Von blauen Flecken und Schürfwunden an den Beinen gezeichnet, lief sie damals nach einer Aufholjagd als Neuntplatzierte ins Ziel und gab anschließend ein vielbeachtetes Interview. Das brachte der Trierer Athletin einen Popularitätsschub. Und am Jahresende die Auszeichnung mit dem deutschen Fairnesspreis im Rahmen der Sportler-des-Jahres-Gala.

„Wenn man siebenmal dabei ist, dann hat man siebenmal ein anderes Szenario”, sagte sie diesmal in Tokio mit erkennbar gutem Gefühl im Gespräch mit ARD-Reporter Lufen. Überrascht, dass die Post im Rennen von Beginn an so abging, sei sie nicht gewesen. “Das habe ich mir gedacht”, kommentierte Krause das hohe Anfangstempo. Die für den Wüstenstaat Bahrain startende Paris-Olympiasiegerin und WM-Titelverteidigerin Winfred Yavi diktierte das Tempo mit einer 1000-Meter-Zwischenzeit von 2:57 Minuten. “Ich wollte nicht die Verfolgergruppe anführen”, so Gesa. Das tat die zweite deutsche Finalistin, Lea Meyer (VfL Löningen), die später weit zurückfiel und als Zwölfte nach 9:24,42 Minuten ins Ziel kam.

“Mit etwas mehr Mut wäre auch ein bisschen mehr dringewesen”, meinte Gesa später, “aber mir haben in diesem Jahr ein paar Rennen gefehlt, um dieses Gefühl für mich selbst zu haben, wo man sich am besten einordnet.” Die Generalprobe bei ihrem Heimrennen im Trierer Moselstadion zehn Tage vor der WM (mit persönlicher 1500-m-Bestzeit von 4:04,91 Minuten) und zuvor ein Einsatz als Tempomacherin beim Diamond-League-Finale in Zürich waren die beiden einzigen Härtetests gewesen. “Das heißt nicht, dass ich hier nicht alles gegeben habe, sonst wäre ich vielleicht auch nicht am letzten Wassergraben am Balken hängengeblieben”, sagte Gesa.

Familie auf der Tribüne im Olympiastadion von Tokio dabei gehabt zu haben, sei „total schön”. Ihre zweieinhalb Jahre alte Tochter Lola war in der Fernsehübertragung im grünen Shirt ihres Vereins Silvesterlauf Trier zu sehen. “Die Kleine macht wirklich alles mit, sie ist einfach ein Goldstück”, lobte die stolze Mama: “Da ist es egal, ob ich um 10 Uhr morgens oder um 10 Uhr abends renne. Auch wenn sie noch nicht ganz versteht, was hier passiert.” Rückblickend auf den Zeitraum seit ihrer ersten WM-Teilnahme 2011 sagte Gesa: “Damals stand ich als kleines Küken erstmals bei einer WM am Start, wusste noch nicht, wie das alles passiert.” Mit den Zuschauern an den Bildschirmen teilte sie ihre Freude darüber, “dass ich mich jetzt, nach so langer Zeit, immer noch behaupten und unter die Top Acht laufen kann.”

Im Lauf sei es aufgrund der riesigen internationalen Konkurrenz, insbesondere aus Afrika, nicht so einfach, Medaillen zu gewinnen. “Mir ist das zweimal gelungen, darauf bin ich sehr stolz. Natürlich wäre ich gerne wieder mit Edelmetall nach Hause gefahren, aber ich glaube, ich kann heute sehr zufrieden sein, auch wenn da mit Blick auf den Sturz Optimierungspotenzial war. Es ist eine tolle Zeit, eine tolle Erinnerung und ich bin mit meinem siebten Platz wirklich sehr zufrieden.“ Schmunzelnd fügte sie hinzu: „Und ich habe auf jeden Fall wieder eine Geschichte zu erzählen.“