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Samu im Marathon: Nichts ist unmöglich

Was hat Samuel Fitwi mit dem inzwischen antiken Slogan eines deutschen Automobilherstellers gemeinsam? Er läuft. Und läuft. Und läuft. Derzeit „mit etwa 20 Jungs aus Äthiopien, darunter einige Cracks“, wie Samu dieser Tage aus seinem Höhentrainingslager in Addis Abeba berichtet. „Montags einen längeren schnellen Lauf, mittwochs Tempowechsel, freitags eine Bahneinheit“, konkretisiert der 27 Jahre alte Langstreckler vom Verein Silvesterlauf Trier. Mit dem deutlich gesteigerten Training kommt er gut klar. Heißt: „Wochenumfänge von bis zu 200 Kilometer“, verrät Fitwis Trainer Yannik Duppich.  

Der Countdown läuft für seinen Schützling: Noch gut eine Woche, dann steht „Samu“ in Sevilla an der Startlinie. Zu seinem Marathon-Debüt. 42,195 Kilometer. Fit wie nie zuvor will und soll sich der 10.000-Meter-EM-Neunte von 2022 am Sonntag, 19. Februar, in der andalusischen Provinzhauptstadt unweit der Costa de la Luz präsentieren. Und eine Zielzeit um 2:10 Stunden anpeilen. Am kommenden Donnerstag fliegt Fitwi aus der äthiopischen Hauptstadt via Frankfurt direkt in den Süden Spaniens, Duppich trifft einen Tag später in Sevilla ein.

Bei vormittags voraussichtlich idealen Temperaturen von zwölf bis 15 Grad möchte Samu auf der flachen Strecke eine erste Empfehlung für sein großes Ziel sammeln: die Olympiateilnahme im Marathon. Bestenfalls schon 2024 in Paris, spätestens aber 2028 in Los Angeles. Dann wäre der Silvesterläufer 32 Jahre und im besten Marathonalter. Vor knapp zehn Jahren war Samu als 17-Jähriger mit Gleichaltrigen aus Eritrea vor der Diktatur am Horn von Afrika geflüchtet, nach Deutschland gekommen und in der Eifel heimisch geworden. Erst dort begann er 2015 bei der LG Vulkaneifel mit dem Laufsport. Zum 1. Januar 2023 ist er mit seinem Trainer zum Verein Silvesterlauf Trier gewechselt. 

„Die Olympianorm ist enorm verschärft worden und zudem ist die Konkurrenz in Deutschland um die Startplätze bei den Spielen derzeit extrem stark“, konstatiert Duppich. 2:08:15 Stunden fordern das Internationale Olympische Komitee und der Leichtathletik-Weltverband World Athletics für die Teilnahme in Paris. So hoch lag die Normlatte noch nie. Zudem war die Leistungsdichte hierzulande noch nie so wie heute. Europameister Richard Ringer und der deutsche Marathon-Rekordler Amanal Petros lieferten zuletzt beim Bitburger 0,0%-Silvesterlauf in Trier Kostproben ihres Ausnahmekönnens. Ringer als Zweiter des 8-Kilometer-Rennens in deutscher Bestzeit (22:20 Minuten), Petros (22:22) als Dritter. 

Samuel Fitwi (7. in 23:03) war nicht zufrieden. Das kann er besser. Doch seine Qualitäten kommen offenbar umso mehr zum Tragen, je weniger Schnelligkeit und je mehr die Ausdauer eine Rolle spielt. Was er als dreimaliger deutscher Crosslaufmeister bewiesen hat. Darauf gründen verständlicherweise seine Marathon-Ambitionen. Neben Ringer und Petros gibt es neben Fitwi noch weitere Olympiaaspiranten, unter anderem Hendrik Pfeifer und Simon Boch. Gut möglich, dass sie im Herbst beim Berlin-Marathon im direkten Aufeinandertreffen um die Tickets für Paris 2024 rennen.

„Samuel hat seit dem Silvesterlauf sehr viel in große Trainingsumfänge investiert. Dreieinhalb Wochen vor dem Sevilla-Marathon beispielsweise ist er 35 Kilometer in einem Tempo-Steigerungslauf im 3:15-er Schnitt pro Kilometer gelaufen“, sagt Yannik Duppich. Der Trainer steht derzeit im Moselstadion als Coach und Ratgeber für die Leistungsgruppe des Silvesterlauf-Vereins zur Verfügung, wo er auch die Kern-Übungseinheiten des Bundeskaderathleten Benjamin Dern leitet. Der deutsche 3000-m-Jugendmeister, der vom LAZ Birkenfeld zum Silvesterlauf Trier gewechselt ist, steigt an diesem Sonntag in Dortmund mit einem 1500-m-Rennen in die Hallensaison ein. 

Samuel Fitwi, seinen anderen Vorzeigeathleten, hat Duppich derweil vom Schreibtisch aus gesteuert – aus dem Home-Office, wenn man so will: „Samu und ich stehen jeden Tag im Austausch – per Anruf oder Videocall.“ Trainingswerte in Echtzeit zu erfahren, das ist sowieso kein Zauberding mehr im digitalen Zeitalter.

„Er ist von Wehwehchen verschont geblieben und fühlt sich sehr gut“, berichtet Duppich, warnt aber vor Euphorie: „Wichtig sind für Samu jetzt vor allem zwei Dinge: Erstens die notwendige Erholungsphase in den beiden letzten Vorbereitungswochen sehr ernst zu nehmen, um ausgeruht an den Marathonstart zu gehen. Und zweitens eine vernünftige Renneinteilung.“ Heißt: Nicht auf Teufel komm raus in Richtung der Olympianorm loszulaufen und auch bis zur 30-Kilometer-Marke kein Harakiri-Tempo einzuschlagen. „So schnell wie die Olympianorm war noch kein deutscher Läufer bei seinem Marathon-Debüt“, weiß Duppich.

Der Marathon ist ein Geduldspiel. Das muss Samu beim Debüt beherzigen. Andererseits braucht er den Glauben an sich. Ganz nach dem langlebigen Motto eines Silvesterlauf-Hauptsponsors: Nichts ist unmöglich … 

Die Bestzeiten von Samuel Fitwi:

5 km: 13:32 Minuten (2021 / deutsche Bestleistung)

10 km: 28:00 Minuten (2021)

10.000 m Bahn: 28:03,92 (EM-Neunter 2022)

Halbmarathon: 1:01:56 Stunde (2021)

Marathon: Debüt am 19. Februar 2023 in Sevilla