Goldjunge Richard Ringer
2018 beim Silvesterlauf in Trier wurde Richard Ringer Vierter, doch an diesem Montag zum Auftakt der Leichtathletik-Europameisterschaften ließ der 33-Jährige nichts anbrennen und feierte den größten Erfolg seiner Karriere. Sein fulminanter, geradezu unglaublicher Schlussspurt setzt Maßstäbe: 100 Meter vor dem Ziel lag “Ritchie”, wie er seinerzeit auch in Trier angefeuert worden war, noch zehn Meter hinter dem führenden Israeli Maru Teferi (Foto). Doch dann zündete Ringer – als früherer Bahn-Langstreckler mit der höheren Grundschnelligkeit ausgestattet – den Turbo und überholte Teferi wenige Meter vor dem Zielband. Ringers Zeit: angesichts der Sommerhitze hervorragende 2:10:21 Stunden.
ZDF-Reporter Eike Schulz nannte es “das erste Leichtathletk-Märchen, das ihn München wahr geworden ist”. Das ist nicht zu hoch gegriffen, denn Ringers Goldmedaille bedeutet den ersten Titelgewinn eines deutschen Läufers bei einer Europameisterschaft. Die einzige EM-Medaille bisher hatte der aus Trier stammende Herbert Steffny gewonnen (Bronze 1986 in Stuttgart).
Amanal Petros vom TV Wattenscheid hatte vorab mit einer Medaille geliebäugelt. Doch der deutsche Marathonrekordler, der 2019 beim Trierer Silvesterlauf-Jubiläum als Zweiter nur hauchdünn den Sieg beim “deutschen Sao Paulo” verpasst hatte, wurde in München in 2:10:39 Vierter hinter den Israelis Teferi (2:10:23) und Gashau Ayale (2:10:29).
“Meine Höhentrainingslager-Vorbereitung statt in St. Moritz in den USA zu verbringen, war genau die richtige Entscheidung. Somit haben mir hohen Temperaturen nichts ausgemacht”, sagte Ringer, der das Rennen clever angegangen war und sich auch von zwischenzeitlichen Tempoverschärfungen der Konkurrenten nicht von seiner Marschroute eines konstanten Tempos abbringen ließ, im ZDF-Interview. So lag der für den LC Rehlingen startende Friedrichshafener nach 35 Kilometer lediglich an neunter Position, etwa 80 Meter hinter der Spitze.
Dem Fachportal leichtathletik.de sagte Richard Ringer: “Marathon ist immer eine Wundertüte. Du stehst an der Startlinie und weißt nicht, ob du ins Ziel kommst.” Und ergänzte in Bezug auf die Teamwertung, in der Deutschland Silber hinter Israel gewann: “Wir wollten eine Medaille, das hat total motiviert. Dass jetzt Gold im Einzel rauskommt ist natürlich wahnsinnig. Amanal hat mir geholfen, bei Kilometer 25 war ich mal ein bisschen weg. Da hat er gesagt: ,´Junge, bleib dran´.”
Amanal Petros sagte: “Ich glaube, ich habe zu viel gearbeitet und war zu aufgeregt. Deswegen bin ich alle paar Kilometer nach vorne und dann wieder nach hinten gegangen. Da habe ich zu viel Kraft verloren, aber das ist der Wettkampf, da kann alles passieren. Ich bin super zufrieden, der vierte Platz ist stark – dadurch haben wir Silber mit dem Team gewonnen.”
Mit Blick auf den 33. Bitburger-0,0%-Silvesterlauf in Trier am letzten Tag des Jahres 2022 hat Hans Tilly, Vorstandssprecher des Vereins Silvesterlauf Trier, zwangsläufig einen Traum: “Ein Dreikampf zwischen Richard Ringer und Amanal Petros sowie dem Belgier Isaac Kimeli als Sieger der Jahre 2018 und 2019 wäre natürlich der Kracher.”