Mensch Gesa!
Für Gesa Krause endete das hochkarätigste Rennen der Leichtathletik-Geschichte über 3000 Meter Hindernis der Frauen im Tal der Tränen. Für die Topathletin des Vereins Silvesterlauf Trier stand am Ende Rang 14 auf der Anzeigetafel. Weit unter Wert. Offensichtlich hatte sie die Höchstbelastung aus dem Halbfinale noch in den Beinen stecken. Am Sonntag war sie in 9:10,68 Minuten mit der drittbesten Zeit aller Teilnehmerinnen souverän ins Finale gerannt, zwei Tage später fehlte ihr schlicht die Kraft für eine weitere Glanzleistung. 9:26,96 Minuten, Platz 14. Mensch Gesa!
„Ich habe von Anfang an gemerkt, dass
ich nicht locker war“, ließ die zweimalige Europameisterin und Olympiafünfte von
Tokio 2021 das Rennen wenig später Revue passieren. Sie habe „versucht, in der
Verfolgergruppe zu bleiben, aber schon an meiner Atmung und Kraft gemerkt, dass
es nicht geht“. Sie spürte, „wie die Hindernisse gefühlt immer höher“ wurden: „Manchmal
konzentriert man sich darauf, dass man da überhaupt noch drüber kommt.“ Gesas
ehrliche Bilanz in der Stunde der bitteren Niederlage, in der ihr großer Traum
von einer Olympiamedaille geplatzt war: „Egal wie oft ich das Rennen jetzt noch
analysiere, heute ist es für mich ein frustrierendes Ergebnis.“
Das deutsche Publikum nahm sie während des Finales deutlich wahr. „Ich weiß ja selbst, wie viele Leute hier sind, die ich kenne. Umso bitterer, wenn man denen auch etwas geben möchte und es einfach nicht kann“, sagte Gesa.
Eine Deutschland-Fahne mit der Aufschrift „GO ON GESA, SILVESTERLAUF TRIER“ war im Stade de France in der Höhe des Wassergrabens kaum zu übersehen. „Die letzten Runden haben wir konsterniert auf die Bahn gestarrt, während um uns herum die Franzosen mit einem Höllenlärm feierten“, sagte Norbert Ruschel, Sportvorstand des Silvesterlauf Trier e.V., für den Gesa bereits im achten Jahr startet. Der Jubel galt der viertplatzierten Lokalmatadorin Alice Finot. Ihr war die Trierer Athletin im EM-Finale von Rom vor wenigen Wochen nur hauchdünn unterlegen.
Von „einer Achterbahn-Fahrt der Gefühle“ sprach Silvesterlauf-Mitbegründer Berthold Mertes: „Wir leiden mit Gesa, empfinden aber gleichzeitig allergrößten Respekt davor, wie sie nur 15 Monate nach der Geburt ihrer Tochter das Olympiafinale erreicht hat.“ Noch im Stade de France trocknete Lola auf Gesas Armen die Tränen ihrer Mutter. Gleichzeitig fachsimpelten in der Geschäftsstelle des Silvesterlauf-Vereins die Fans noch bis Mitternacht. „Wir haben beim Public Viewing in der Maarstraße mitgefiebert, mitgelitten und mitgefühlt“, bilanzierte Vorstandssprecher Hans Tilly, der betonte: „Mit vier Olympia-Finals und ihrem Pariser Kampf bis ins Ziel kann sie auf eine Erfolgsgeschichte besonderer Art verweisen.“
Lea Meyer lieferte sich auf der Schlussrunde mit der Spanierin Irene Sanchez-Escribano ein Duell um den Top-Ten-Platz, das die Leverkusenerin für sich entschied: In 9:09,59 Minuten verbesserte die Vize-Europameisterin von 2022 ihren Hausrekord aus dem Vorlauf (9:14,85) um fünf Sekunden.
Wie hoch das Niveau im Finale war, zeigt folgende Statistik: Vor drei Jahren in Tokio reichten Gesa 9:14,00 Minuten zu Rang fünf. Diesmal wuchsen Alice Finot auf den letzten Runden Flügel: Die Französin startete eine furiose Aufholjagd und knackte mit 8:58,67 Minuten den Europarekord der Russin Gulnara Samitova-Galkina, die 2008 in Peking mit 8:58,81 Minuten – damals Weltrekord – Olympiasiegerin geworden war. Diesen olympischen Rekord pulverisierte Winfred Mutile Yavi als Siegerin von Paris. Yavi hatte wie bei der WM 2023 in Budapest das beste Finish. In 8:52,76 Minuten setzte sie sich vor Tokio-Olympiasiegerin Peruth Chemutai (8:53,34) und der Kenianerin Faith Cherotich (8:55,15) durch. Finot blieb Rang vier.