Samuels Sydney-Abenteuer

Samuel Fitwi ist ein ruhiger Mensch. Stets freundlich. Angenehm zurückhaltend, aber auch zuvorkommend und hilfsbereit. Einfach ein feiner Kerl. So schätzen ihn seine Freunde, auch die Konkurrenten wie Amanal Petros, mit dem er sich Fernduelle um den deutschen Rekord liefert. Samu wohnt erkennbar auch jene Geduld inne, ohne die er wahrscheinlich kein Weltklasse-Marathonläufer geworden wäre. Beständig hart arbeitet er für den Erfolg, und im Rennen überstürzt er nichts. Konstantes Tempo halten, immer an der Schwelle zwischen anaerob und aerob, möglichst nicht übersäuern. Platz 15 bei Olympia 2024 in Paris, wenige Monate später in Valencia sein deutscher Rekord (2:04:56 Stunden), und im April 2025 in Hannover ein weiteres Meisterstück: DM-Gold für seinen Verein, den Silvesterlauf Trier. Zuletzt ging es nur aufwärts für ihn.
Samuel Fitwi steht am Wochenende vor einer neuerlichen Riesen-Herausforderung über die klassische 42,195-Kilometer-Distanz. Bei der Premiere der World Marathon Majors (WMM) in Sydney ist der 29-Jährige in den Top Ten der vom Veranstalter erstellten Favoritenliste zu finden. Mittwoch landete Fitwi “down under”, und kann den Start ins Sydney-Abenteuer kaum erwarten. Er trifft unter anderem auf Eliud Kipchoge. Auf die lebende Marathon-Legende, den zweimaligen Olympiasieger aus Kenia und einzigen Menschen, der die 42.195 Meter schon unter zwei Stunden bewältigt hat – wenn auch diese Zeit nicht als offizieller Weltrekord geführt wird. Zurecht: Bei dem “Labor-Rennen” auf Wiener Straßen wurden Tempomacher auf irreguläre Weise eingesetzt. Das Faszinosum “sub 2” bleibt.
Auch mit 40 Jahren ist Kipchoge Weltspitze
Die Legende lebt. Und wie: Mit 40 Jahren ist Kipchoge immer noch Weltspitze, in Sydney will er seinen bislang elf World-Marathon-Majors-Siegen (5x Berlin, 4x London, je 1x Tokio und Chicago) ein weiteres Kapitel hinzufügen. Eliud Kipchoge: der Christiano Ronaldo des Marathons.
“Kipchoge, das ist einfach ein großer Name. Gegen ihn zu laufen ist gigantisch”, erzählt Samuel Fitwi: “Zum dritten Mal bin ich im selben Rennen am Start wie er. Ich freue mich sehr darauf.” Am Sonntag (31. August) um 6.30 Uhr Ortszeit (in Deutschland am 30.8. um 22.30 Uhr) sind die Vorzeichen andere als 2023 in Berlin, als Kipchoge in der deutschen Marathon-Metropole in 2:02:42 Stunden seinen fünften Triumph feierte und Fitwi in seinem erst zweiten Rennen über die klassische Distanz in 2:08:28 die Olympia-Norm hauchdünn verpasste – auch, weil ein anderer Läufer irrtümlich seine Trinkflasche gegriffen hatte. Die Quali für Paris hakte der Silvesterläufer vier Monate später in Dubai ab. Im olympischen Hitzerennen musste Kipchoge aufgeben, Fitwi kam mit geduldiger Renntaktik auf den 15. Rang.
Beim Flutlichtmeeting seines Vereins am kommenden Dienstag wird er fehlen. Zweimal trug Samu sich in den vergangenen Jahren bei dem Heimspiel im Moselstadion über 10.000 Meter in die Siegerliste ein, einmal wurde er Zweiter. Diesmal wird er im Flugzeug sitzen, auf der Heimreise nach Deutschland. “Sobald ich gelandet bin, werde ich mir die Ergebnisse anschauen”, sagt Fitwi, der im April gemeinsam mit seinen Vereinsfreunden Mathis Kaufmann und Andre Ramisch als Mannschaft DM-Silber aus Hannover heimbrachte. “Ich bin sehr gespannt, wie beide die 1500 Meter laufen. Vielleicht schafft einer von ihnen – oder sogar beide – den Sprung unter die magische 4-Minuten-Marke. Ich drücke fest die Daumen.” Auf die folgenden Wochen nach seiner Rückkehr freut sich Fitwi besonders. Freunde zu treffen, einfach mal in seiner Wohnung Zuhause in der Eifel zu “chillen”, locker in den Eifelwäldern und im Moselstadion zu trainieren – “und aufs Autofahren”, sagt er. Typisch deutsch …
Doch jetzt erstmal Sydney mit Geduld angehen, sich belohnen. “Top Fünf” sei sein Ziel, sagt Fitwi. Es ist ein ambitioniertes Ziel, denn nach persönlichen Bestzeiten in der Meldeliste (siehe unten) steht Fitwi an Position neun. Für sein aktuelles Ziel hat er brutal hart trainiert. Tag für Tag. Wochenlang. In Addis Ababa, seiner Trainingsbasis, wo er die besten Trainingsvoraussetzungen in einer Gruppe von Weltklasseläufern findet. Eine Erkältung plagte ihn etwas vor einigen Tagen. Sie ist überwunden. “Besser als in der Woche vor dem Marathon”, sagt er. Für Fragen der internationalen Medien ist Fitwi gerüstet: Mit Manager Jörg Ullmann und Silvesterlauf-Sportdirektor Berthold Mertes wurde in Videocalls geübt.
Der Reiz der WMM-Premiere “down under” ist nicht der einzige Grund dafür, dass Samuel sowohl auf den Weltmeisterschaftseinsatz in Tokio (15.9.) und Berlin (30.9.) verzichtet: “Wenn ich dort laufen würde, wäre der Abstand zu Valencia zu eng.” Heißt also, dass er Anfang Dezember in der spanischen Hafenstadt wie 2024 einen Angriff auf den deutschen Rekord plant. Doch gemach, denn jetzt geht es für den Trierer Ausnahmeathleten zunächst mal in Sydney um eine Spitzenplatzierung. Mit Geduld, Ausdauer … und dem nötigen Biss für die letzten der insgesamt 42,195 Kilometer.

